Es geht immer wieder (auch) um Beziehungen. Die meisten Probleme, Sorgen aber auch Wünsche und Hoffungen sind keine reinen intra-psychischen Phänomene, sondern entstehen erst in der Beziehung zu anderen Menschen. Ich möchte deshalb zwei Gedanken (bzw. Autor:innen) einfließen lassen, die nicht standardmäßig auf den Literaturlisten der psychodynamischen Therapien stehen: Die Ich-Du-Beziehung von Buber (1923) und das Konzept der Resonanz nach Rosa (2019).

In der Paartherapie oder im Einzelsetting – immer wenn es um Familie, Gruppe und Partnerschaft geht – werden oft Introjekte spürbar, die die eigene Rolle und die anderer Personen im System beschreiben – und einengen. Doch im Verlauf der Behandlung lösen sich diese Beschränkungen auf, Menschen werden immer weicher, emotionaler und fließender. Dies stellt eine große Entlastung dar und erlaubt eingefahrene Beziehungen zu verändern, was ich gerne als den Wechsel vom “Kontakt haben” zum “in Kontakt sein” beschreibe.

Diesen Unterschied möchte ich mit Martin Bubers Unterscheidung zwischen den Wortpaaren Ich-Es und Ich-Du beschreiben. Ich-Es ermöglicht Erfahrung, die Distanz wird gewahrt, um die Umwelt sehen, messen, verstehen und einordnen zu können – was vergleichbar ist mit dem Verständnis von “Kontakt haben”. Ich-Du beschreibt die Begegnung zweier Menschen, in der Verbundenheit entsteht – vergleichbar mit “im Kontakt sein”. Buber benennt diese Wortpaare als Grundworte. “Grundworte sind nicht Einzelworte, sondern Wortpaare. (…) Grundworte sagen nicht etwas aus, was außer ihnen bestünde, sondern gesprochen stiften sie einen Bestand” (Buber, 1923, S. 3). “Die Welt als Erfahrung gehört dem Grundwort Ich-Es zu. Das Grundwort Ich-Du stiftet die Welt der Beziehung” (Buber, 1923, S. 6).

In Abgrenzung zu diesem Verständnis – und synonym für das Ich-Du Grundwort – verwende ich gerne den Begriff Begegnung, in Abgrenzung zum Kontakt, der auch mit dem Ich-Es Grundwort assoziiert sein kann. In der Begegnung ist Bewegung, sie ist ein Prozess. “Das Grundwort Ich-Du kann nur mit dem ganzen Wesen gesprochen werden. Die Einsammlung und Verschmelzung zum ganzen Wesen kann nie durch mich, kann nie ohne mich geschehen. Ich werde am Du; Ich werdend spreche ich Du. Alles wirkliche Leben ist Begegnung” (Buber, 1923, S. 11f.).

Das Konzept der Resonanz des Soziologen Hartmut Rosa hilft uns zu einem Verständnis wie dieser Unterschied vom Haben zum Sein (vgl. Fromm, 1979) des Kontakts entstehen könne. Resonanz kann entstehen, wenn zwei Körper miteinander in Beziehung treten, wenn z.B. eine schwingende Gitarrensaite die gleiche Saite einer nahestehenden Gitarre in Schwingung versetzt. Nicht jede Begegnung mit einem Menschen ist eine Resonanzbeziehung, denn “Resonanz ist eine durch Affizierung und Emotion, intrinsisches Interesse und Selbstwirksamkeitserwartung gebildete Form der Weltbeziehung, in der sich Subjekt und Welt gegenseitig berühren und zugleich transformieren” (Rosa, 2017, S. 298).

Deutlich wird hier der prozesshafte Charakter. “Resonanz ist kein emotionaler Zustand, sondern ein Beziehungsmodus” (Rosa, 2017, S. 298). Und – ganz wichtig – eine Resonanzbeziehung kann nur zwischen den beiden Extremen symbiotischer Harmonie und destruktiver Dissonanz entstehen, denn “Resonanz ist keine Echo-, sondern eine Antwortbeziehung” (Rosa, 2017, S. 298).

Am extremen Pol der symbiotischen Harmonie ist die Beziehung wie eine Echokammer, in der es keine Fragen und deshalb auch keine Antworten gibt – weshalb keine Veränderung der Subjekte, also keine Transformation stattfindet. Am anderen Pol, der destruktiven Dissonanz, wo “sich das begegnende Andere ausschließlich widersetzt und auf keine Weise erreichen lässt, ist kein resonantes In-Beziehung-Treten möglich, wohl aber ein (wechselseitig) verletzendes, das sich gegenüber der Berührung gerade zu verschließen sucht” (Rosa, 2019, S. 21).

In einer resonanten Beziehung postuliert Rosa Prozesse, die mit den Grundworten von Buber korrespondieren. Er unterscheidet die Prozesse Aneignung und Anverwandlung, die mit Haben und Sein bei Fromm (1979) oder eben Ich-Es und Ich-Du bei Buber (1923) verwandt scheinen. Während durch Aneignung lediglich Dinge oder Wissen verfügbar werden, begründet sich Anverwandlung auf einer ganz speziellen Beziehung “in Form eines transformierenden Begegnens”. (Rosa, 2019, S. 14f.)

Literaturverzeichnis

Buber, M. (1923). Ich und Du (11. Aufl.). Reclam.

Fromm, E. (1979). Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft. dtv.

Rosa, H. (2017). Resonanz: eine Soziologie der Weltbeziehung (7. Aufl.). Suhrkamp.

Rosa, H. (2019). Resonanz als Schlüsselbegriff der Sozialtheorie. In J.-P. Wils (Hrsg.), Resonanz: Im interdisziplinären Gespräch mit Hartmus Rosa (S. 11–32). Nomos.